Dienstag, 29. Januar 2013

Wahrnehmen, was ist

Wahrnehmung zieht ganz schnell Gedankenaktivität nach sich. Ebenso werden Gefühle ausgelöst. Und Erinnerungen kommen hoch. Man könnte auch sagen, Wahrgenommenes aktiviert Muster in uns. Der Geist vergleicht das Wahrgenommene blitzschnell mit dem, was er schon kennt. Und das Bekannte wird dann präsent, tritt in den Vordergrund und hilft uns, die Situation zu verstehen oder zu handhaben.

Ein typisches Beispiel sind Vorurteile. Man sieht einen Menschen und blitzschnell hat man ihn einsortiert. Anhand bestimmter Merkmale vermutet man, es wäre ein Mensch dieses Musters, was man dafür abrufbar hat.

In der gleichen Art können wir einen Tisch sehr schnell als Tisch erkennen, weil wir schon viele Tische gesehen haben und dieses Etwas, was wir gerade betrachten, dem sehr ähnlich sieht.

Wie schwer man sich manchmal aus Mustern lösen kann, erkennt man bei Vexierbildern. Also Bilder, in denen man mehrere Dinge sehen kann, je nachdem auf welches Muster man sich gerade eingeschossen hat. Es ist nicht einfach, von diesem Muster loszulassen und das andere Muster zu erkennen.

Egal, was wir wahrnehmen, der Geist ist immer schnell dabei, auf ein bekanntes Muster zu kanalisieren. Das ist ein großes Problem, weil wir so nie das sehen, was wirklich ist. Aber genau dieses Sehen was ist kann so wertvoll sein. Wenn wir Bewertungen, Vorurteile, Meinungen und emotionale Reaktionen aus Vergangenem erstmal beiseite lassen können, um wach wahrzunehmen, was wirklich jetzt im Moment wahrgenommen werden kann.

Wer das nie tut, würde nie etwas neues erleben. Man hätte seine zehntausend Vorstellungsmuster und würde alles, was man erlebt in eines dieser Muster packen. Damit wird man aber blind für das, was wirklich ist. Denn in Wirklichkeit wiederholt sich nichts. Dinge sind sich zwar ähnlich, aber doch auch wieder anders.

In vielen Alltagssituationen reicht es sicherlich, die Ähnlichkeit zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Oft genug funktioniert diese Strategie und man kann dankbar sein, ein Wesen zu sein, was blitzschnell Muster erkennen kann.

Andererseits geht viel verloren, wenn man nicht mehr wirklich wahrnimmt, was ist.  Wir aktualisieren unsere Erfahrung nicht mehr. Wir verfeinern unser Vorstellungsmuster nicht mehr. Unser Geist durchläuft sozusagen immer wieder alte Denkmuster, die sich immer mehr verfestigen und wird so immer starrer. Er kann Neues nicht mehr erkennen und versucht es, durch die Brille alter Muster zu interpretieren. Ein Geist jedoch, der gute Fähigkeiten hat, sich immer wieder anzupassen und sich auszudifferenzieren, ist ein wirklich lebendiger Geist. Er aktualisiert sich immer wieder und ist somit dicht dran, an der Realität. Solch ein Geist versteht besser, was ist und kann sich so adäquater verhalten.

Zu erkennen, was wirklich ist, bringt auch etwas Frisches in unser Leben. Alt gewohnte Muster werden langweilig. Wer sich daraus nicht lösen kann, hat bald das Gefühl, das Leben vollständig zu kennen und wird so vom Leben gelangweilt. Der Zauber des Lebens offenbart sich aber nur in wachen Momenten, wo man mit dem Hier und Jetzt im Kontakt ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen